Mittwoch, 13. November 2013

Papier oder das Abschieben von Verantwortung


„Das stand in der Zeitung!"

Ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, welchen Wert das gedruckte Wort gegenüber dem gesprochenen Wort hat?

Gemäß dem Motto 

„Das geschriebene Wort ist mehr wert als das gesprochene Wort und das gedruckte Wort ist mehr wert als das geschriebene Wort."


Einige Beispiele gefällig?

Etwa bei Einstellungen: Auch heute wird der Bewerber häufig über Hard Facts definiert, über Zeugnisse, über Referenzen, über Lebensläufe etc. (jeweils ein Blatt Papier) Malen wir nun folgendes Szenario: Ein Personalverantwortlicher hat aufgrund eben dieser Papiere einen neue Mitarbeiter eingestellt. Nach der Probezeit stellt sich heraus, dieser Mitarbeiter ist nicht der wunderbare neue Kollege, sondern ein mobbendes, nur aus Ellbogen bestehendes, intrigantes Kameradenschwein! Wenn nun der Inhaber des Unternehmens den Personalverantwortlichen fragt, welcher Teufel ihn denn bei der Auswahl geritten habe, kommt ganz locker, unter Vorzeigen der Bewerbungsunterlagen der Satz: “Was wollen Sie denn Chef, schauen Sie hier in die Zeugnisse und Referenzen, ich habe doch den besten Mann ausgesucht!"
Er verlagert also seine Verantwortung auf einige Blatt Papier! 
Was wäre gewesen mit einer Antwort wie „Chef, ich habe ihn eingestellt, weil ich der Meinung war, er sei der Richtige für uns!“ Diese Antwort stünde unter der Überschrift „Eigenverantwortung"

Oder wie ist es beim Thema Verhandlungen? Seien es Preisverhandlungen in der Wirtschaft, Gerichtsverhandlungen oder Koalitionsverhandlungen in der Politik. Sind nicht oftmals die Beteiligten mit dicken Ordnern voller Paragraphen, Vorschriften, Preisen und ähnlichem bewaffnet? Beeindruckend, oder?! Was aber wäre, wenn diese Ordner nur Blindtext enthielten? Sie wirken gewichtig, im übertragenen Sinne und wörtlich. Und ziehen sich die Verhandlungspartner nicht dann, wenn es ihnen an Argumenten gebricht, auf den Inhalt dieser Ordner oder Akten zurück?
Anstatt vernünftig zu argumentieren, auf den Gegenüber einzugehen, stehlen sie sich wieder aus der Verantwortung und schieben sie auf das Stück Papier!
Explizit bei Koalitionsverhandlungen: Geht es um Annäherungen, um die besten Lösungen für das Land oder die Bürger, oder geht es darum, die Wahlprogramme (einige Blatt Papier) durchzuziehen, darauf zu bestehen und sich nicht zu bewegen?

Und nicht zuletzt das beliebte „Da kann ich nichts machen, das ist Vorschrift!“ Haben Sie da auch ein DejaVu? Oft gehört und das Gefühl gehabt, gegen eine Wand zu reden? 

Schlagendes Beispiel ist eine Szene mit Sandra Bullock in dem Film Das Netz (1995): In einem Dialog am Hoteltresen möchte Sandra Bullock ihren Zimmerschlüssel. Der Angestellte fragt nach der Zimmernummer und schaut in seinem Computer auf den Belegplan. „Ich finde Sie hier nicht!“ "Aber ich wohne in Zimmer xxx!“ „Ich schaue nochmal!“ „Nein, Sie sind gestern abgereist!“ „Aber ich stehe doch hier vor Ihnen!“ „Ich habe Sie im System als abgereist vermerkt!“…..
Ich denke, dieses Beispiel, das auch im richtigen Leben so hätte vorkommen können oder vorgekommen ist, spricht für sich.


Wir könnten diese Reihe von Beispielen noch viel weiter fortsetzen, aber sie werden in der Lage sein zu sehen, wo im „richtigen Leben“ so vorgegangen wird.


Deshalb stelle ich einfach folgende These in den Raum: 

  • Ein Blatt Papier im Mittelpunkt dient zum Abschiebung von Verantwortung, 
  • es tötet die souveräne Argumentation und blockiert den Geist,
  • fördert die Kritiklosigkeit,
  • zementiert den Standpunkt, stumpft den Fokus auf Lösungen und unsere Mitmenschen ab
  • und nimmt den Menschen das Rückgrat!

 

Ziehen Sie Ihre Schlussfolgerungen und Konsequenzen daraus!

 


„Was nützt es dem Menschen, 
wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, 
aber das Denken anderen überlässt?“

Ernst Reinhold Hauschka

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